Im Windschatten der Bayern-Wahl kann sich in Hessen die viel größere Überraschung entwickeln.
Man kann in Bayern viel erwarten – also das schlechteste CSU Ergebnis oder ein spannendes Rennen um die Plätze – nur keine Regierung ohne die CSU. Oder es fehlt mir die Phantasie. In Hessen kann es nach dem 28. Oktober aber durchaus eine Regierung ohne die CDU geben. Und dafür braucht es gar nicht mal viel Phantasie.
Betrachtet man die großen Schlachten in den Flächenländern der letzten zwei Jahre – also Niedersachsen, Schleswig-Holstein, NRW und Rheinland-Pfalz so haben sie eines gemeinsam: Es hat nie die Partei gewonnen, die acht Wochen vor der Wahl in Führung lag. Und zwar zum Teil deutlich in Führung.
Niedersachsen:
Ergebnis am 15.10.2017: CDU 33,6%, SPD 36,9%
Infratest am 10.8. 2017: CDU 40%, SPD 32%
NRW:
Ergebnis am 14.5.2017: CDU 33%, SPD 31,2%
Infratest am 19.3.2017: CDU 30%, SPD 37%
Schleswig-Holstein
Ergebnis am 7.5.2017: CDU 32%, SPD 27,2%
Infratest am 16.3.2017: CDU 27%, SPD 33%
Rheinland-Pfalz
Ergebnis am 13.3.2016: CDU 31,8%, SPD 36,2%
Infratest am 14.1.2016: CDU 37%, SPD 31%
Das bestätigt die These, dass sich besonders bei Landtagswahlen die Wählerinnen und Wähler spät auf diese Wahl konzentrieren und die Umfragen in den Monaten zuvor maßgeblich von bundespolitischen Themen beeinflusst werden. Tatsächlich rückt die LTW immer später in den Fokus – vermutlich erst in den letzten sechs Wochen.
Das nur als kleiner Reminder an alle, die jetzt schon die Messe singen – so wie sie die Messen auf Malu Dreyer, Armin Laschet, Daniel Günther und Stephan Weil gesungen haben. It ain’t over until the fat lady sings, wie alle Opernfreunde wissen.
Entscheidend ist dann, welche Themen den Leuten in dem jeweiligen Bundesland unter den Nägeln brennen – und wem sie am ehesten zutrauen, diese Probleme zu lösen. Es findet auch ein Fokus auf die Probleme statt, die durch eine Landesregierung gelöst werden können – und nicht auf nationaler oder gar internationaler Ebene.
Zur Überraschung vieler nichthessischer Beobachter, steht die Schwarz-Grüne Landesregierung von Volker Bouffier schon über viele Umfragemonate und bei verschiedenen Instituten ohne Mehrheit da. Das ist insofern überraschend, als diese Regierung national als eine Art Probelauf für Schwarz-Grün auf Bundesebene gesehen wurde. Zumindest bis die Grünen 2017 auf dem letzten Platz landeten und die CDU das schlechteste Ergebnis seit 1953 einfuhr. Der Rest ist Geschichte.
Seit ihrem Umfragespitzenwert im Sommer 2015 von 55% ist Schwarz/Grün auf heute 45% um 10 Prozentpunkte abgefallen.
Betrachtet man die drei wichtigsten Themen, die den Hessinnen und Hessen unter den Nägeln brennen und die direkt auch mit der Landesregierung in Verbindung gebracht werden können, so führt mit Abstand das Thema Bildung / Zustand der Schulen vor Infrastruktur/Mobilität und Wohnen/Mieten.
Je näher die Wahl rückt, desto stärker werden diese landespolitischen Themen die Wahlentscheidung beeinflussen und nach den uns vorliegenden eigenen Umfragen sehen die Kompetenzwerte der CDU und des Ministerpräsidenten in allen drei Bereichen nicht gut aus. Um es vorsichtig auszudrücken. Gleichzeitig fällt der MP als Zugpferd ebenfalls aus, notiert er doch beständig deutlich unter den relevanten 50 % (zur Zeit 45%) in der Direktwahlfrage.
Des Weiteren lassen sich übrigens Wählerinnen und Wähler nicht im Geringsten davon beeindrucken, wie in anderen Wahlen entschieden wird. So gaben bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 in Niedersachsen der SPD 27,4% ihre Zweitstimme. Drei Wochen später und nach der herben Niederlage der SPD im Bund entschieden sich im selben Land 36,9% für die SPD.
Man kann daher erwarten, dass die Wahl in Bayern den Hessen völlig zu Recht am Äppler vorbei geht und sie ihre Entscheidung davon abhängig machen, wer Hessen regieren soll.
Im Windschatten von Bayern ist am 28. Oktober in Hessen also so ziemlich alles möglich. Das Wahlverhalten ist so volatil wie noch nie und lässt alles zu: dramatische Last-Minute-Siege ebenso wie dramatische Klatschen und bezüglich der möglichen Regierungskonstellationen auch einen Reigen an 3-er Kombinationen in denen die CDU eine Rolle spielen kann – aber auch nicht. Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen – und vielleicht auch erst nach dem 28. Oktober.
Autor: Frank Stauss