Das Kreuz mit Wahlkämpfen ist ja, dass sie irgendwann vorbei sind und dann tatsächlich gewählt wird. Von uns aus könnten Wahlkämpfe auch ewig dauern, weil wir sie total lieben und es eigentlich nichts Geileres gibt – außer vielleicht eine Laugenbrezel mit Butter. Aber wir respektieren, dass wir mit unserer Haltung zu Wahlkämpfen vermutlich eine Minderheitenmeinung vertreten.
Apropos. An einem Wahltag gibt es rund um 18:00 Uhr ein Ergebnis, das einem mal mehr, mal weniger, mal sehr oder auch mal gar nicht gefällt. Und danach geht das Leben weiter. Das nennt sich Demokratie, und die haben ja vermutlich alle, die das hier lesen, gewollt. Nach handelsüblichen Wahlen gibt es danach meist zwei Optionen: Regieren oder Opposition. Wenn man in der Opposition landet, hat man danach den zweifelhaften Vorteil, dass man weiterhin nach Herzenslust auf die anderen eindreschen kann. Landet man in der Regierung, muss man in einer heute üblichen Koalition meist mit Leuten zusammenarbeiten, auf die man vorher nach Herzenslust eingedroschen hat. Das ruckelt dann anfangs, und nicht alle Wählerinnen und Wähler kommen damit klar, dass jetzt Leute miteinander arbeiten, die doch noch wenige Tage zuvor nur in Abneigung vereint waren. Wähler könnten das verhindern, indem sie, wie in den guten alten Zeiten häufiger, absolute Mehrheiten wählten, aber das tun sie nicht. Warum, ist eine müßige Frage. Tatsächlich wählen sie immer häufiger so ein krudes Zeug zusammen, dass danach eine Regierungsbildung immer schwieriger oder gar unmöglich wird. Und kommt dann etwas Krudes dabei rum, waren sie natürlich an dem Schlamassel in keiner Weise beteiligt, sondern erwarten, dass „die doch irgendwie alle miteinander klarkommen“ sollen. So wie sie selbst mit der Verwandtschaft. Muss man ja auch selbst drei-, viermal im Jahr.
Etwas völlig Anderes sind hingegen innerparteiliche Wahlen. Da stellen sich Menschen zur Wahl und werden von Menschen gewählt, die eine gemeinsame Grundüberzeugung eint. Sonst wären sie ja nicht in derselben Partei. Hofft man zumindest. Annegret Kramp-Karrenbauer zum Beispiel wurde von 517 CDU-Mitgliedern zur Parteivorsitzenden gewählt. Ihr Konkurrent wurde von 482 CDU-Mitgliedern gewählt. Seither geht er allen auf den Sack. Es sei denn, er sitzt auf einem Parteitag und ist sooooo klein mit Hut. Aber im Grunde hat er das mit der innerparteilichen Wahl mit einer allgemeinen Wahl verwechselt und nimmt seither die Rolle der Opposition ein. Das kann man machen, aber bisher hat das allen Beteiligten nur geschadet. Vor allem Herrn Merz. Aber der holt sich mit einer solchen Regelmäßigkeit gerne Klatschen von dominanten Frauen ab, dass es den Rahmen einer rein politischen Analyse sprengt. Das Beispiel der CDU zeigt jedenfalls allen anschaulich, wie es nicht geht.
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wurden im ersten Wahlgang von 44.967 SPD-Mitgliedern gewählt, im zweiten von 114.995. Olaf Scholz und Klara Geywitz bekamen im ersten Wahlgang 48.473 Stimmen, im zweiten dann 98.246. In jedem Fall waren das mehr als die 517 Stimmen von Frau Kramp-Karrenbauer, aber das nur nebenbei. Bei der SPD kommen noch so rund 200.000 Mitglieder dazu, die sich nicht so recht entscheiden wollten oder konnten, was man nicht zwingend lobend erwähnen muss. Die Parteimitglieder, ob bei den Gewinnern, bei den Unterlegenen oder bei den Unentschiedenen, haben nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie machen den Merz oder sie machen Sinn.
Fakt ist, dass die SPD Mitglieder sich eine neue Führung gewählt haben – und zwar in einem sehr transparenten, sehr langen und auch sehr teuren Prozess. Die neue Führung hat jetzt die Aufgabe, die Partei zusammenzuführen und wieder stark zu machen. Und die Partei – allen voran die Delegierten des Parteitages – hat die Aufgabe, ihr diese Chance mit einem breiten und überzeugenden Votum zu geben. Diese Wahl findet formal auf dem Parteitag statt, aber faktisch hat sie bereits stattgefunden. Und wenn alle sich daran halten, besteht die Chance auf einen neuen Anfang und einen Aufbruch in eine neue Zeit. Man will sich die Außenwirkung gar nicht vorstellen, wenn die SPD erst die Republik ein halbes Jahr mit ihrem Auswahlprozess unterhält, um diesen dann kurz darauf wieder zu konterkarieren. Es gibt jedenfalls Menschen außerhalb der Partei – man braucht sie als Wähler, weil sonst das ganze Parteiengewese keinen Sinn macht –, die das nicht so recht nachvollziehen könnten.
Der Wahlkampf ist zu Ende. Vom ersten Tage an war klar, dass es nach der Wahl zufriedenere und weniger zufriedene Mitglieder geben wird. Und von Anfang an war klar, dass die SPD in Zukunft nur bestehen kann, wenn sie ihre innerparteilichen Umgangsformen dauerhaft ändert. Eine Partei, die für Solidarität steht, muss sie zuallererst selbst pflegen.
Die SPD steht vor einem neuen Anfang. Sorgen wir alle an jeder Stelle dafür, dass es ein guter wird.